Was Maschendraht zu sagen hat ...


"Ausgesperrt" und "Festgewachsen" 

Manchmal gibt es Tage, da scrolle ich meine Fotos auf dem Computer durch und suche dabei nach Fotos, die ich mit der Stimmung des Tages neu bearbeiten kann. Heute ist so einer...

Die Wahl fiel auf zwei Fotografien, die mit dem Motiv eines Maschendrahtes eine Gemeinsamkeit haben. 

"Ausgesperrt" habe ich bei einem Tagesausflug nach Geislingen(Steige) im Jahr 2011 fotografiert. Aufgenommen hatte ich es, da mir die Struktur des Maschendrahtes gefiel, die sich von dem farbigen Hintergrund abhob. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich mir damals besondere Gedanken über die Bild-Aussage gemacht hätte. Es wird wahrscheinlich eher die Wirkung des Motives als eine mögliche Aussage des Selben gewesen sein, die mich den Auslöser drücken lies. Aber heute, Jahre danach hat es für mich eine Bedeutung bekommen.

Für die neue Bildbearbeitung entschied ich mich, die Farben im Hintergrund sehr intensiv zu gestalten, damit es zu meiner gewünschten Bild-Aussage passt. 

"Ausgesperrt" 2011

Wo ich das Foto "Festgewachsen" im Jahr 2007 aufgenommen habe weiß ich nicht mehr genau. Dafür kann mich aber noch gut daran erinnern, dass mich das Motiv sofort mit einer Bedeutung ansprach: Der Baum ist im Zaun gefangen!

Es war ein noch junger Baum der durch einen Maschendrahtzaun gewachsen war. In jungen Jahren wäre es einfach gewesen, ihn vom Zaun zu befreien, hätte man ihn doch einfach durch die Maschen herausziehen können, um ihm so die Freiheit zu geben. 
Doch je älter er wurde, desto enger legten sich die Maschen um seinen Stamm, bis Zaun und Baum so fest miteinander verwachsen waren, dass eine Trennung nicht mehr möglich war. Sicher, der Zaun gibt auch so etwas wie Halt. Dennoch sind die Wunden die er dabei anrichtet mit ihren Narben unübersehbar.

Eine kleine Richtungsentscheidung, vielleicht ausgelöst durch einen Windstoß oder dem Versuch, dem Sonnenlicht entgegen zu wachsen, hat im Falle dieses Baumes weitreichende und heute nicht mehr umkehrbare Folgen. 

Bei der Neubearbeitung des Fotos entschied ich mich wie schon damals für eine Schwarzweiß-Variante, die ich jedoch deutlich Kontrastreicher und mit mehr Körnigkeit gestaltete, damit die Bildwirkung mehr Dramatik gewinnt. 

"Festgewachsen" 2007

Ich weiß nicht wie es euch beim Betrachten dieser Fotografien geht, für mich beinhalten sie die Erkenntnis, dass das was darauf zu sehen ist, je nach eigener Stimmung, eine mehr oder weniger starke Bedeutung bekommt. Ich beneide schon manchmal die Menschen, die im Moment einer besonderen Stimmung mit ihrer Kunst dieses Gefühl ausdrücken können.

Meine "Pass by" Fotografie, bei der ich meist ohne konkrete Aussageabsicht meine Aufnahmen anfertige, lässt dies im Moment der Aufnahme nur selten zu. Als Ausgleich dazu habe ich im Laufe der Zeit glücklicherweise genug Fotografien angesammelt, bei deren Bildbearbeitung ich meine Stimmung mit einbeziehen kann. Und vielleicht ist das dann ja doch so etwas wie künstlerischer Ausdruck?!